Längi Zyt mit dem Schwyzerörgeli
Wenn
der Luzerner Musiker Albin Brun mit seinem NAH Trio das Schwyzerörgeli
erklingen lässt, wird man sich unweigerlich glücklich fühlen.
Spätestens
seit seinen wunderbaren Projekten, die er dem Luzerner Hausberg Pilatus
gewidmet hat, wissen wir um die Affinität von Albin Brun zum
Naheliegenden: Musik zu machen, die ihre Wurzeln nicht ins exotische
Wunderland verlegt, sondern sozusagen im eigenen Garten findet. Mit dem
NAH Trio hat Albin Brun diesen Fokus nochmals geschärft. Erstmals ist er
ausschliesslich auf dem Schwyzerörgeli zu hören. Ländlermusik – Hilfe?
Nah und fern
Für
Ländlermusik im herkömmlichen Sinn ist Multiinstrumentalist Albin Brun
auf dem Örgeli technisch zu wenig virtuos und musikalisch ein zu offener
Geist. Auch die Besetzung des NAH Trios ist mit Tuba und Schlagzeug
nicht wirklich Ländler-konform: Marc Unternährer (Tuba) untermauert
Albins Örgeli-Fantasien mit markant und schön mäandrierenden Linien,
während Andy Aegerter die bodenständige Sangeslust der beiden perkussiv
passend begleitet. Nach dem Auftritt auf dem Stanserhorn im Rahmen der
Stanser Musiktage lud das NAH Trio am Samstagabend das Publikum zur
CD-Taufe ins Kleintheater, Luzern. Ein vertrauter Boden für Albin Brun,
hatte er doch letztes Jahr schon die Produktion zur Neueröffnung des
Kleintheaters musikalisch begleitet. Das Trio spielte einen Grossteil
der 17 Kompositionen, die auf der CD „NAH-Aufnahmen“ zu hören sind. Als
Albin Brun nach der Pause sein Örgeli vom Stecker nahm und nur noch
akustisch spielte, war die Premiere auch klanglich perfekt.
Die
NAH-Musik hat einen besonderen Geschmack, der einem gleichzeitig nahe
geht und einen in die Ferne führt. Sie ist heiter und lüpfig, aber auch
zart und melancholisch. Vor allem entspricht sie nicht den Klischees. Wo
sie mit einem lüpfigen Tanz das Muotatal assoziiert oder den
„Haslibärger“ intoniert, fühlen wir uns nie in eine von Stumpen
verqualmte Ländlerstube versetzt, sondern eher auf eine Landstrasse
Richtung Süden.
Folk und Sehnsucht
Es
gibt Kompositionen, in denen die Volksmusik des Ostens anklingt,
jazzige Elemente einfliessen oder gar das Kunststück gelingt,
mediterranen Inspirationen einen Schuss Keltisches zu geben und das
Ganze mit einem südafrikanisch anmutenden Brotherhood-Groove („Vista Sul
Mare“) zu kreuzen. Ein Pionier ist Brun mit den langsamen
Sehnsuchts-Weisen auf dem Örgeli, wie sie in der traditionellen Textur
kaum vorkommen. „Längi Zyt“ ist genau das: Sehnsucht/Heimweh pur. Auch
„Schnee“ oder „Starrenwang“ sind Stücke, die selbst ein
unverbesserliches Raubein weich klopfen könnten.
Schon
in den Siebzigerjahren, zur Zeit der Folk-Bewegung, hat Brun
heimatliches Material interpretiert, kombiniert mit Volksmusik aus
anderen Ländern. Er war viel unterwegs, musizierte auf der Strasse,
lebte und erlebte. Ohne solche Erfahrungen würde auch sein NAH Trio nie
so klingen: Eine von Fernweh getriebene Schweizer Folklore eigener
Prägung, die im tiefsten Innern tatsächlich Folk ist.
Pirmin Bossart